Konstituierung des neuen Kreistags: Rede der stellvertretenden Landrätin Marese Hoffmann

Bei der 1. Sitzung des neugewählten Kreistags am 8. Mai 2020 wurden die Stellvertreter*innen des Landrats bestimmt. Unserer Fraktionssprecherin Marese Hoffmann bewarb sich um das Amt der gewählten Stellvertreterin. Mit 28 Stimmen erfuhr sie viel Zuspruch über die eigene Fraktion hinaus, konnte sich aber als Stellvertreterin für Landrat Stefan Löwl (CSU) nicht gegen Helmut Zech (ebenfalls CSU) durchsetzen. Nachstehend ihre mit viel Applaus bedachte Rede.

Sehr geehrter Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen,

zur heutigen Wahl des ersten Stellvertreters des Landrates bewerbe ich mich und will dies kurz in 3 Minuten begründen.

Den 40 neuen Kreisrät*innen möchte ich mich kurz vorstellen. Seit 24 Jahren diene ich dem Landkreis als Kreisrätin und Fraktionssprecherin, war 12 Jahre ehrenamtliche Richterin in der Asylkammer des Verwaltungsgerichtes München und 10 Jahre Aufsichtsrätin des Klinikums, und seit 5 Jahren bin ich die Partnerschaftsbeauftragte für die Partnerschaft mit dem Landkreis Oświęcim in Polen. Durch verschiedene Berufe, Lehrerin an Haupt und Förderschule, als Umwelt- und Techniksoziologin bei Professor Beck an der Ludwig-Maximilians-Universität und vor allem seit über 30 Jahren als Biobäuerin im Dachauer Moos bin ich mit verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen vertraut und kenne die Lebenssituation und Sorgen vieler sehr unterschiedlicher Bürger*innen unseres Landkreises durch eigenes Erleben. Landrat Löwl kann demnach darauf vertrauen, dass ich ihn kompetent bei unterschiedlichsten Menschen und Anlässen vertreten kann.

Immer wieder wird vorgebracht, es wäre gute Tradition, dass die stärkste Partei, also fast immer die CSU, den Landrat und seinen Stellvertreter stellt. Begriffe wie Tradition, Identität oder Heimat haben ein Janusgesicht. Oder anders ausgedrückt: Sie sind zweischneidige Schwerter. Sie können, richtig eingesetzt und verstanden, Gesellschaften stützen und stärken. Sie können aber auch ausgrenzen und Zukunftsfähigkeit verspielen. Wenn sie nicht mehr den sozialen und geistigen Voraussetzungen einer Gesellschaft entsprechen, werden Traditionen hohl und verlogen. Traditionen haben noch nie als Selbstzweck existiert.

Demokratische Tradition ist, dass Macht auf Zeit vergeben wird, dass Macht kontrolliert wird und dass sich Macht im Dialog ständig hinterfragen lassen muss.  Diese Tradition hat unsere Demokratie stark werden lassen und Europa seit 75 Jahren Frieden beschert. Auch daran können wir heute, an diesem 8. Mai, denken und hoffen, dass sich der Wunsch vieler Holocaustüberlebender erfüllt; dass dieser Tag Staatsfeiertag wird!

Zurück zu Herrn Landrat und der von ihm angesprochenen Tradition, der CSU gebührt die Position des ersten Stellvertreters. Das stammt aus einer Zeit, in der die CSU die absolute Mehrheit inne hatte. Diese Zeiten sind vorüber. Jetzt wäre es ein guter Traditionsbeginn, der zweitstärksten Fraktion auch die Stellvertretung zu überlassen.

Es ist wohl vorgesehen, als weitere Stellvertreterinnen Frauen vorzuschlagen, aber es gibt sehr wohl einen Unterschied zwischen gewähltem und ernanntem Stellvertreter. Der gewählte ist ein Ehrenbeamter mit allen Konsequenzen, z.B. entsprechenden Rechten und Bezahlung. Die ehrenamtlichen Stellvertreterinnen sind Helferinnen, wie im richtigen Leben, in dem Sinne wie wir das jetzt besonders in der Corona-Krise erfahren.

Einer Frau aus der zweitstärksten Fraktion die gewählte Stellvertretung zu überlassen wäre nicht nur ein schönes Zeichen, sondern der Beweis, dass auch die Landkreis-CSU wie Ministerpräsident Söder den gesellschaftlichen Wandel verstanden hat und Frauen angemessen an Macht beteiligt. Deshalb bitte ich Sie um Ihre Stimme.

Gruppenfoto mit Hygieneabstand: Die neue, gewachsene Kreistagsfraktion