31.07.2017 Antrag: MVV: vom Verkehrs- zum Mobilitätsverbund 6. August 201711. Juni 2020 Antrag: MVV: vom Verkehrs- zum Mobilitätsverbund Der Kreistag möge beschließen: Der Landrat wird beauftragt, sich in der Gesellschafterversammlung des Münchner Verkehrs-und Tarifverbunds (MVV) dafür einzusetzen, dass ein Konzept für die Weiterentwicklung des MVV von einem reinen Verkehrsverbund zu einem umfassenden, modernen Mobilitätsverbund erarbeitet und umgesetzt wird Begründung: Der MVV ist bislang dafür zuständig, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und Schienenpersonennahverkehr (SPNV) im Ballungsraum München zu organisieren. Das umfasst im Wesentlichen S-Bahnen, U-Bahnen, Tram-Bahnen und Busse sowie Nahverkehrszüge. Öffentlicher Verkehr besteht heute jedoch aus einer Vielzahl von Angebotsformen, die deutlich über den „klassischen“ ÖPNV/SPNV hinausgehen, wie beispielsweise Carsharing oder Leihfahrräder aber auch im weiteren Sinne die Inter- oder Multimodalität all dieser Verkehrsmittel zusammen mit Taxi, Fuß- und Radverkehr. Denkbar sind in der Zukunft aufgrund der raschen Entwicklung im Bereich der Digitalisierung weitere innovative Verkehrsformen wie das entgeltliche oder unentgeltliche Ridesharing oder die Integration möglicher neuer Verkehrsformen im Zuge des autonomen Fahrens. Neben dem öffentlichen Personennahverkehr haben sich weitere Mischformen des kollektiven Verkehrs wie Carsharing oder Leihfahrräder bereits heute etabliert, bei denen die Nutzerinnen und Nutzer das Verkehrsmittel nicht besitzen, sondern es leihen bzw. mit anderen Personen teilen. Es stehen also heute bereits zahlreiche öffentlich zugängliche Angebote für alle denkbaren Mobilitätsansprüche und Transportaufgaben zur Verfügung, die kein privates Auto voraussetzen. Diese sind jedoch nicht einheitlich organisiert und zugänglich: Beispielsweise gibt es eine Vielzahl von Carsharing-Anbietern mit jeweils eigenen Apps, Tarifen und Konditionen,mit denen die Kundinnen und Kunden jeweils einen eigenen Vertrag schließen müssen. Die Potenziale eines in separate Teilsysteme aufgesplitteten Verkehrsmittels werden so bei weitem nicht ausgeschöpft, für die Kundinnen und Kunden besteht eine Zugangsbarriere. Ein „Mobilitätsverbund“, der alle öffentlichen und kollektive Verkehrsmittel integriert, stellt die logische Erweiterung und Weiterentwicklung der traditionellen Verkehrsverbünde wie des MVV dar: Kunden erhalten über eine einheitliche „Benutzeroberfläche“ Zugang zu einer Vielzahl vonlokalen Mobilitätsangeboten einschließlich ÖPNV, Carsharing, Leihfahrräder, Taxi und weiterer bestehender oder zukünftiger Verkehrsformen. Alle Mobilitätsangebote können auch über den MVV einheitlich beworben und vermarktet, Synergie-Effekte genutzt werden. Mobilität macht nicht an den Grenzen von Gebietskörperschaften Halt. Deshalb ist es sinnvoll, möglichst alle Mobilitätsangebote für die gesamte Region unter einem Dach zusammenzuführen. Das Ziel ist eine Vereinfachung der Alltagsmobilität ohne privaten Auto-Besitz zum Vorteil der Nutzerinnen und Nutzer sowie eine Steigerung der Attraktivität aller vorgenannten Verkehrsmittel in ihrer Kombination. Nicht zuletzt wird die Position der traditionellen öffentlichen Verkehrsmittel im Verkehrsmarkt durch die Kombination mit neuen Verkehrsformen gestärkt. Dadurch wird die Entwicklung vom motorisiertem Individualverkehr hin zu attraktiven Alternativen für die gesamte Reisekette vom Start zum Ziel begünstigt, Klimaschutzziele unterstützt und einem Verkehrsinfarkt im rasch wachsenden Ballungsraum vorgebeugt. Der Ballungsraum München kann so seinen Ruf als High-Tech-Standort festigen, ein wichtiger wirtschaftspolitischer Faktor. Immer mehr Fahrgäste kombinieren schon heute in ihren alltäglichen Reiseketten mehrere verschiedene öffentliche und/oder kollektive Verkehrsmittel miteinander, um schnell und komfortabel von A nach B zu gelangen. Die Zusammenführung all dieser verschiedenen öffentlichen oder kollektiven Verkehrsmittel in einheitlichem Tarif, Marketing und Buchbarkeit (u. a. über die MVV-App) stellt einen ähnlichen Quantensprung dar, wie die Zusammenführung einzelner öffentlicher Verkehrsmittel in den einheitlichen Tarifraum des MVV 1971 mit allen seinen Vorteilen und dadurch ausgelösten Wachstumsimpulsen. Anders als Stadtstaaten wie Berlin oder Hamburg bzw. administrativ anders organisierten Ballungsräumen im Ausland wie z. B. Wien besteht in München neben der komplexen vertikalen Aufgliederung der Zuständigkeiten im Verkehrsbereich (Bund, Land, Kommunen sowie Deutsche Bahn, kommunale und private Verkehrsunternehmen) eine horizontale Aufgliederung der Zuständigkeiten aufgrund der Vielzahl der beteiligten Städte, Gemeinden und Landkreise im Tarifgebiet des MVV. Diese doppelte Aufgliederung der Verantwortungsbereiche führt, zusammen mit dem asymmetrischen Verhältnis zwischen großer Landeshauptstadt und vergleichsweise kleinen Gebietskörperschaften im restlichen Gebiet, zu einer wenig dynamischen Entwicklung oder zu Blockaden. Eine Ausweitung der Aufgaben des MVV als integrierter Mobilitätsdienstleister bietet eine große Chance, neue Potenziale für den öffentlichen und kollektiven Verkehr jenseits des MIV regional zu erschließen und zu organisieren. Insbesondere die vielen kleinen und ländlichen Kommunen im Tarifgebiet des MVV würden von einer Ausweitung des Aufgabenbereiches profitieren: Genau hier ist für neue, kollektive Systeme gemeinsamer Nutzung von Fahrzeugen besonderes Potenzial zu erwarten: Vom Bike-Sharing für die letzte Teilstrecke vom Umland-Bahnhof bis zu hin zur Fahrgastmitnahme in einem künftigen Ride-Sharing-System. In einem rasch wachsenden Ballungsraum wie München, in dem viele Verkehrsmittel die Kapazitätsgrenzen längst erreicht haben, geht es nicht nur um das Hinzugewinnen neuer Fahrgäste. Ganzheitlich betrachtet, muss es einem modernen Verkehrsverbund einer Metropole insbesondere auch um die Verkehrsvermeidung gehen. Straßen und ÖPNV können gleichermaßen durch Stadtplanung (Stadt der kurzen Wege) sowie durch gute, attraktive Fuß-und Radwege entlastet werden. Deshalb zählen auch folgende Aufgaben zu den Aufgaben eines modernen Mobilitätsverbundes: • Beratung von Kommunen in der Verkehr reduzierenden Siedlungsentwicklung • Beratung und Unterstützung von Kommunen bei der Verbesserung der Fuß- und Radwege-Infrastruktur • Beratung und Unterstützung von Kommunen beim Marketing moderner Mobilitätsangebote • Beratung und Unterstützung von Kommunen bei der Einrichtung von intermodalen Mobilitätsstationen • Beratung von Unternehmen im Bereich betriebliches Mobilitätsmanagement• Beratung von Unternehmen zur Optimierung lokalen Wirtschaftsverkehrs z.B. Mikrodistribution durch Cargo-e Bikes • Beratung von Kommunen und Unternehmen zu Fördermöglichkeiten • Individuelle Mobilitätsberatung für Bürgerinnen und Bürger • Weiterentwicklung der Barrierefreiheit bei allen Verkehrsmitteln • Beteiligung an Forschungsprogrammen und Kooperation mit Universitäten • Aufgabenträger- und unternehmensübergreifende Initiativen und Projekte über den klassischen ÖPNV hinaus • Bereitstellung von Open Data für die freie Entwicklung nützlicher Anwendungen zum allseitigen Nutzen Viele Verkehrsverbünde im In- und Ausland projektieren oder vollziehen bereits die Umwandlung oder Ausweitung der traditionellen Verkehrsverbünde hin zu modernen, integrierten Mobilitätsverbünden, wie eine bereits 2012 erschienene Studie des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen VDV zeigt: https://www.vdv.de/vdv-hintergrundpapiermobilitaetsverbund. Gez. Marese Hoffmann