Offener Brief zur Situation an der KZ-Gedenkstätte Dachau

pixabay_justice-2121230_960_720
© Bild von Raphi D auf Pixabay

Dachau, 24.02.2022

Sehr geehrter Herr Stiftungsdirektor Freller,


anlässlich der jüngsten Berichterstattungen über den abgerutschten Hügelteil des KZ-Ehrenfriedhofs Leitenberg – die sich einreiht in die Abfolge höchst sanierungsbedürftiger Gebäude und Liegenschaften an der KZ-Gedenkstätte Dachau – fordern wir Sie als Stiftungsdirektor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten auf, dringend zu handeln.


Trotz jahrelanger Warnungen ist nun ein Teil des Leitenbergs abgerutscht. Noch vor einem Jahr reagierte das Staatsministerium für Unterricht und Kultus auf die Anfrage der Abgeordneten Gabriele Triebel schlicht: „Eine zeitliche Perspektive für die Behebung dieses Problems gibt es derzeit nicht“. Als Grund verwies man einzig auf die „unabsehbaren Kosten“ der Sicherung des Hügels. Der besonders schlechte Zustand der Anlage (ein Zugangsweg ist völlig gesperrt, ebenso die Gedächtniskapelle) war indes seit langem bekannt.


Damit ist ein weiterer kritischer Fall bekannt geworden, der verdeutlicht, wie dringlich die Sanierung und Sicherung einiger historisch herausragender Gebäude und Teile der KZ-Gedenkstätte Dachau ist. Auch Berichte über die durch Einsturzgefahr bedingte Schließung des Krematoriums des ehemaligen Konzentrationslagers wiesen bereits auf den Zustand hin, in dem sich Teile der Gedenkstätte befinden; das Internationale Mahnmal am ehemaligen Appellplatz hat Risse und ist immer noch verhüllt; die rekonstruierten Häftlingsbaracken drohen zusammenzustürzen, obwohl seit 2016 ein Konzept vorliegt, die mit diesem Ort umzugehen wäre; historisch bedeutsame Räume in der Kommandantur, in der die Strafordnung für die Konzentrationslager erstellt wurde, sind in ruinösem Zustand; der sogenannte Kräutergarten, unbestritten ein einzigartiger, überregional bedeutsamer Bestandteil des ehemaligen Lagers, verfällt seit Jahrzehnten.


Die KZ-Gedenkstätte nimmt eine herausragende Rolle in der Erinnerungskultur Bayerns und der Bundesrepublik Deutschland ein. Sie ist authentische Erinnerung an die Schrecken der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und ihrer Opfer. Für über eine Million Besucher*innen im Jahr bietet sie die zentrale Grundlage zur Auseinandersetzung mit dieser Geschichte. Der Freistaat Bayern steht in besonderer Verantwortung, dieses Erbe als Ort der Erinnerung, des Gedenkens und der Vermittlung zu erhalten. In dieser Einschätzung stimmen wir sicherlich überein.


Doch die großen Bemühungen der KZ-Gedenkstätte Dachau und ihrer engagierten Mitarbeiter*innen, mit den komplexen Herausforderungen umzugehen, laufen ins Leere, wenn ihre Trägerin, die Stiftung Bayerische Gedenkstätten, ihrer Verantwortung nicht gerecht wird. Mit regelmäßigen Absichtserklärungen, angekündigten Einzelinitiativen und Beschwichtigungen sowie durchaus richtigen Worten an Gedenktagen ist es nicht getan; sie werden mit der Zeit unglaubwürdig, wenn ihnen offenkundig keine Taten folgen. Die Stiftung Bayerische Gedenkstätten muss dafür sorgen, dass die genannten dringenden Maßnahmen zeitnah realisiert werden. Vor allem aber steht sie in der Verantwortung, die dauerhaft nötigen Grundlagen zu schaffen, die der herausragenden Bedeutung der KZ-Gedenkstätte gerecht werden.


Wir fordern daher, dass Sie, Herr Freller, als dafür zuständiger Stiftungsdirektor, endlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen. Eine Garantie zum Erhalt der KZ-Gedenkstätte Dachau ist überfällig und sie muss in konkreten und dauerhaften Mitteln erfolgen, die der Bedeutung und dem Auftrag der Gedenkstätte angemessen sind. Die authentische Fortexistenz der KZ-Gedenkstätte Dachau ist nicht durch Priorisierung einzelner Projekte gegeneinander, sondern durch eine allumfassende Priorisierung der Bestandssicherung in ihrer Gesamtheit zu sichern.

Mit freundlichen Grüßen

Marese Hoffmann, Kreisrätin, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen, Dachau
Luise Krispenz, Stadträtin, 3. Bürgermeisterin, Dachau
Richard Seidl, Stadtrat, Referent für Zeitgeschichte, Dachau
Karin Beittel, Sprecherin Bündnis90/Die Grünen KV Dachau
Martin Modlinger, Sprecher Bündnis90/Die Grünen OV Dachau

Berichterstattung in der Presse

SZ Dachau: Die Geduld ist erschöpft (25. Februar 2022)
SZ Dachau: Erdrutsch am KZ-Friedhof Leitenberg (11. Februar 2022)