Verkleinerung des Bundestages auf eine Regelgröße von 630 Abgeordneten

Bild vom Plenum im Bundestag

Aus dem Bundestag:

  • Die Ampelkoalition beweist Handlungsfähigkeit. Wir beenden das jahrelange Ringen zur Verkleinerung des Bundestages. Die Koalitionen der letzten Legislaturperioden sind an diesem Reformvorhaben aus parteipolitischen Interessen immer wieder gescheitert.
  • Wir verhindern das Anwachsen des Deutschen Bundestages und stellen sicher, dass das Parlament nicht mehr als 630 Sitze hat. In den nächsten Deutschen Bundestag werden über 100 Abgeordnete weniger einziehen als es in dieser Legislaturperiode der Fall war. Bei dieser Zahl bleibt es.
  • Wenn die Koalition nicht handeln würde, könnte der Deutsche Bundestag weiter anwachsen. Die von der großen Koalition eingeführte Reduzierung der Wahlkreise auf 280 hätte nur einen minimalen Dämpfungseffekt gehabt. Am 17. März hat der Bundestag der Wahlrechtsreform mehrheitlich zugestimmt.

Wir Grüne im Bundestag arbeiten seit Jahren konstruktiv an einer Wahlrechtsreform auf der Grundlage unseres bewährten Verhältniswahlrechts mit den Personenwahlelementen. Durch die Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten schließen wir aus, dass der Bundestag weiter anwächst — der Bundestag wird die Regelgröße von 630 Abgeordneten konsequent einhalten.

Bundestagsgrößen wie mit aktuell 736 Abgeordneten gehören der Vergangenheit an. In der Öffentlichen Anhörung zur Wahlrechtsreform im Ausschuss für Inneres und Heimat wertete einer der Sachverständigen unseren Entwurf als „große politische Leistung“, die viele dem politischen System nicht zugetraut hätten.

Die Reform hat ein gerechtes Wahlrecht zum Ziel. Die Änderungen haben Auswirkungen auf die Fraktionsstärke aller Parteien, also auch auf uns selbst.

Kernpunkte des Gesetzentwurfs der Ampelkoalition

Entsprechend unserer Ziele im Koalitionsvertrag sowie aufgrund der Beratungen in der Wahlrechtskommission und in der Öffentlichen Anhörung zur Reform hat die Koalition den Gesetzentwurf erarbeitet. Wir haben dabei renommierte Verfassungsrechtler*innen hinzugezogen. Kernpunkte sind 

  1. eine Regelgröße von 630 Abgeordneten einzuhalten,
  2. den „Grundcharakter“ der Verhältniswahl konsequenter umzusetzen und gleichzeitig
  3. die Wahl der Wahlkreiskandidat*innen diesem System anzupassen.

Abschaffung von Überhang- und Ausgleichsmandaten

Die Grundsätze der Verhältniswahl setzen wir damit konsequent um. Jede Stimme soll bei der Zusammensetzung des Bundestages möglichst gleich viel wert sein. Aber auch das Personalwahlelement, also die Wahl der Wahlkreiskandidat*innen, wird beibehalten. Um Überhang- und Ausgleichsmandate zu verhindern, ist eine sogenannte Zweitstimmendeckung vorgesehen: Ein*e Kandidat*in mit den meisten Stimmen im Wahlkreis bekommt ein Wahlkreismandat nur dann, wenn nach dem Ergebnis der Zweitstimmen der jeweiligen Partei ein Sitz verfügbar ist.

Zur Verteilung der Sitze werden innerhalb einer Partei die Bewerber*innen, die in ihrem jeweiligen Wahlkreis die meisten Stimmen geholt haben, nach ihrem Erststimmenanteil gereiht. Dieser Reihe werden dann höchstens so viele Mandate zugeordnet, wie der Partei nach ihrem Zweitstimmenergebnis im Bundesland zustehen.

Stehen einer Partei mehr Sitze zu, als Personen im Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen haben, werden diese zusätzlichen Sitze wie bisher durch die Liste besetzt. Stehen weniger Sitze zur Verfügung, haben die Personen mit dem geringsten Erststimmenanteil das Nachsehen und das Wahlkreismandat wird nicht zugeteilt.

Überhang- und Ausgleichsmandate werden dadurch abgeschafft, die Reform hat Auswirkungen auf die Fraktionsstärken aller Parteien und nicht nur derjenigen Parteien mit Überhangmandaten. Unser Gesetzentwurf bevorteilt keine Partei, sondern setzt den Wählerwillen gleichberechtigt in Sitze der Parteien um.

Konsequente Umsetzung der Grundsätze der Verhältniswahl

Wir sind von der Verfassungsmäßigkeit unseres Entwurfs überzeugt. Unser Grundgesetz fordert kein konkretes Wahlsystem. Der Gesetzgeber hat einen breiten Spielraum bei der Ausgestaltung des Systems.

Schon jetzt hat sich der Gesetzgeber für den Grundcharakter der Verhältniswahl entschieden, die durch die Wahl in den Wahlkreisen ergänzt wird. Wir setzen das bestehende System nur konsequent um. Die Zweitstimme bleibt bei der Verteilung der Sitzanteile an die politischen Parteien die entscheidende Stimme.

Die verpflichtende Zuteilung von Wahlkreismandaten ist verfassungsrechtlich nicht vorgesehen. Die lokale Bindung der Abgeordneten an die Wahlkreise war bei der Erstellung unseres Regelungsvorschlags dennoch ein wesentliches Element. Unser Vorschlag sichert die größtmögliche Repräsentation der Wahlkreiskreise im Rahmen des Verhältniswahlsystems: Die Sitze der Parteien werden vorrangig an die Wahlkreiskandidat*innen verteilt. Damit erhalten wir das bewährte Personalisierungselement.

Gleichzeitig wächst der Anteil der Wahlkreisabgeordneten im Vergleich zu den Kandidat*innen der Landeslisten. Die Wahlkreiskandidat*innen gewinnen daher im neuen System wesentlich an Bedeutung.

Durch die Erhöhung der Regelgröße auf 630 gehen wir auf die Kritik der unbesetzten Wahlkreise ein. Durch die Erhöhung stehen mehr Mandate zur Verteilung zur Verfügung. Wir verringern somit die Wahrscheinlichkeit, dass Wahlkreismandate wegen fehlender Zweitstimmendeckung nicht zugeteilt werden.

Abschaffung der Grundmandatsklausel

Die Grundmandatsklausel ist bereits im jetzigen Wahlrecht eine Durchbrechung des Systems der Verhältniswahl, da sie auf den Erfolg in der Mehrheitswahl in drei Wahlkreisen abstellt. Dadurch kann auch eine Partei unter fünf Prozent in den Bundestag einziehen. Trotz Billigung des Bundesverfassungsgerichts wird diese Klausel in ihrer rechtlichen Zulässigkeit daher schon viele Jahre in Frage gestellt.

Aufgrund der konsequenten Umsetzung der Verhältniswahl durch das Prinzip der Zweitstimmendeckung wird der Systembruch im Rahmen der vorliegenden Wahlrechtsreform noch deutlicher. Sachverständige bestätigten in der Öffentlichen Anhörung im Ausschuss diese Zweifel an der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Daher hat sich die Ampel am Ende dafür entschieden, die Grundmandatsklausel aus systemischen Gründen abzuschaffen. Entscheidend ist nicht der Erfolg in einzelnen Wahlkreisen, sondern das Ergebnis der Zweitstimmen in allen Bundesländern. Nur dieses Ergebnis bildet die Mehrheitsverhältnisse im gesamten Bundesgebiet sicher ab.

Es gibt keine besondere Legitimation von Wahlkreisersten, die inzwischen nicht selten nur noch etwa 20 Prozent der Erststimmen im Wahlkreis erringen. Es ist Aufgabe der Parteien, die Bürger*innen von ihrem politischen Programm zu überzeugen, um so die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken.

Weiteres Anwachsen verhindern

Ohne die Änderung des Wahlrechts wäre ein weiteres Anwachsen des Parlaments auf bis zu 900 Abgeordnete möglich. Das liegt an dem derzeit geltenden System der mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl und den dadurch möglichen Überhang- und Ausgleichsmandaten.

In den letzten Jahren gab es bereits viele Versuche, diese Entwicklung abzuschwächen. Die schwarz-rote Koalition beschloss in der letzten Legislatur ein Gesetz zur Reduzierung der Wahlkreise von 299 auf 280. Diese Regelung sollte 2024 in Kraft treten. Damit würde ein Anwachsen des Bundestages über die Regelgröße hinaus aber nur abgeschwächt, nicht verhindert.

Laut Wahlrechtskommission würde erst bei einer Reduktion der Wahlkreise auf 225 kaum noch mit Überhangmandaten zu rechnen sein. Deshalb soll die Reduzierung nicht umgesetzt werden, es bleibt in unserem Entwurf bei 299 Wahlkreisen. Damit wird eine Schmälerung regionaler Repräsentanz vermieden.